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3.4 Erweiterungskörper

3.4.1 Vorbetrachtungen

Ein Erweiterungskörper M ∕K ist ein Körper (M, +, ⋅)  , der einen anderen Körper (K,+,⋅)  als Teilkörper enthält [PW72, 6.5]. Der Grad der Körpererweiterung von M über K ist die Dimension von M als (so genannter) K -Vektorraum und wird als [M :K]  bzw. dimK M geschrieben. Jeder Vektor in M besteht entsprechend der Definition des Vektorraumes (vgl. Abschnitt 1.4) aus jeweils [M  :K]  Tupeln in K . Bekannte Beispiele für Körpererweiterungen sind:

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3.4.2 Polynomringe

Ausgehend von den Vorbetrachtungen konstruieren wir jetzt einen endlichen Polynomring (K[x],+,⋅)  auf dem Körper K .

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Darin seien die üblichen Polynomoperationen, wie Addition und Multiplikation gültig, weshalb man auch von einem Vektorraum der Polynome in der Unbestimmten x mit Koeffizienten aus dem Körper K spricht. Ist der Leitkoeffizient an− 1 = 1  , dann wird das Polynom als normiert (monisch) bezeichnet, sonst ist an− 1xn−1  das so genannte Leitmonom.

Wird anschließend eine Restklassendivision dieser Polynome f(x)  durch ein Polynom m(x)  mit Grad n definiert, also r(x)= f(x) mod m (x)  mit r(x)∈ K [x]∕m(x)  , dann bildet die Menge der darin enthaltenen Restklassen wieder einen Restklassenring [PW72, 6.], [MvV92, 2.5.4].

Der Polynom-Restklassenring auf dem Grundkörper ℤp  Im Beispiel des Restklassenringes ℤp [x]∕m(x)  lassen sich die Eigenschaften eines Ringes (siehe Abschnitt 1.2) wiefolgt nachweisen:

  1. Da bei einer Polynomaddition die einzelnen Koeffizienten unabhängig voneinander (und jeder für sich) addiert werden und außerdem nach Voraussetzung immer degr(x)< degm (x) = n gilt, bildet K [x]∕m (x)  eine additive ABEL’sche Gruppe.

    1. Das Assoziativgesetz gilt: r(x)+ [g(x)+ h(x)]= [r(x) +g (x)]+ h(x)  mit r(x),g(x),h(x) ∈ K[x]∕m (x)  .
    2. Das neutrale Element e(+) = 0 ∈ K[x]∕m(x)  mit der Beziehung r(x)+ e(+) = r(x)  ist das Nullpolynom.
    3. Ein additiv inverses Element − r(x)∈ K [x]∕m (x)  mit r(x)+ [− r(x)]= 0  ist vorhanden. Es ergibt sich aus den inversen Elementen der Koeffizienten a  ∈ K
  ν zu           n− 1     ν     n−1    ν
− r(x)= ∑ ν=0− aνx = − ∑ν=0 aνx  .
  2. (K [x]∕m(x),⋅)  ist eine multiplikative Halbgruppe, denn:

    1. Aufgrund der Modulo-Reduktion ist (K [x]∕m(x),⋅)  abgeschlossen, d. h. wenn r(x),g(x)∈ K [x]∕m(x)  angenommen wird, dann gilt für die Multiplikation r(x)g (x) ≡ h(x) (mod m (x))  gleichfalls h(x)∈ K[x]∕m (x)  .
    2. Auch das Assoziativgesetz r(x)[g(x)h(x)]= [r(x)g(x)]h(x)  ist in einem Restklassenring von Polynomen erfüllt.
  3. Aus den bisherigen Erkenntnissen zu Restklassenringen ist im Zusammenhang mit Polynomoperationen zu schlußfolgern, daß das Distributivgesetz ebenfalls gilt: r(x)[g(x) +h (x)]= r(x)g(x)+ r(x)h(x)  .

3.4.3 Endlicher Erweiterungskörper

Der Übergang zu einem Körper wird möglich, wenn m(x)  ein Primelement in Bezug auf die Menge der Polynome K [x]  ist, es sich also um ein (so genanntes) irreduzibles Polynom handelt. Ein solches Polynom ist dadurch gekennzeichnet, daß es nicht weiter in Teilpolynome mit Koeffizienten aus K reduzierbar ist.29

Es sei nun r(x)  ein Restklassenpolynom mit Koeffizienten a aus dem endlichen Grundkörper K := F
      p  und m (x)  vom Grad n . Dann handelt es sich bei F [x]∕m (x)
 p  um einen endlichen Körper mit      n
q = p  Elementen [Bos96, 3.8]. Man spricht auch von einem Vektorraum V der Dimension n über Fp  , denn auf diese Weise wird (im Sinne von Abschnitt 1.4) jedem Vektor v = (v1,v2,v3,...,vn)  ein Polynom r(x)  vom Grad n− 1  zugeordnet. Es handelt sich folglich nur um eine andere Darstellung der n Tupel des Vektors v  in der Art a0 = v1,a1 = v2,...,an−1 = vn  . Die Potenzen x0,x1,x2,...,xn−2,xn−1  bilden die (Polynom-) Basis des Vektorraumes V über Fp  . Entsprechend ist die Dimension des Erweiterungskörpers Fq  über dem Grundkörper Fp  genau [Fq :ℤp ]= n . Als Notation für einen solchen Körper wird deshalb auch Fpn  oder GF (pn)  verwendet.

Mit diesen Vorbemerkungen lassen sich alle Aussagen zu Restklassenkörpern, wie sie in Abschnitt 3.3 allgemein formuliert wurden, auf den Erweiterungskörper Fq=pn  anwenden:

  1. Das Modul m (Primelement) wird nun als das irreduzible Polynom m(x)  interpretiert.
  2. Die Restklassendivision ist definiert als r(x)≡ f (x) mod m(x)  , was grundsätzlich immer zu einem Grad kleiner als n für r(x)  führt.30 Die Kennzeichnung der zu r(x)  gehörenden Restklasse erfolgt wie gewohnt mit [r(x)]
     m(x)  , wird meistens jedoch weggelassen. Das Element r(x)  steht also auch hier wieder als Restklassenvertreter aller Polynome f(x)  , welche die Bedingung f(x)= s(x)m(x)+ r(x)  mit degr(x)< degm (x)  erfüllen.
  3. Das Nullelement ist das Nullpolynom r(x) = 0 (mod  m(x))  bzw. dessen Restklasse [0]m(x)  , das Einselement das Einheitspolynom e(⋅) = x0 = 1  .
  4. Addition und Multiplikation (von Polynomen) in Fq  sind wohldefiniert und abgeschlossen, die entsprechenden Gruppen F∗q  und F+q  also existent.
  5. Die Anzahl der Elemente r(x)  im Restklassenkörper Fp[x]∕m (x)  ist aufgrund der Anzahl von möglichen Koeffizientenkombinationen pn  . Bei Fq  handelt es sich folglich um einen GALOIS-Körper GF(pn)  .31 Wegen |F |=  q= pn
  q  hat dessen multiplikative Gruppe F∗
 q  die Ordnung pn− 1  .
  6. Jedes Element r(x)∈ F∗q  hat eine Ordnung bzw. Periode k= |〈r(x)〉| , welche sich aus Gleichung 2.1 ableitet:
    [r(x)]k − 1 ≡ 0 (mod m (x)).

  7. Nach dem Satz von LAGRANGE teilt die Ordnung k des Elements die der multiplikativen Gruppe   ∗
F q  , d. h.         n
q − 1= p  − 1= ik und demzufolge ist
    [r(x)]q−1− 1≡  0  (mod  m(x)).
    (3.12)

  8. Jedes erzeugende Element g(x)  von F∗q  erfüllt die Bedingung der maximalen Zykluslänge (Index i=  1  ), hat also die Ordnung |〈g(x)〉|= pn − 1  . Es ist damit geeignet, als Basiselement für die Erzeugung aller anderen Elemente r(x) ∈F ∗
       q  verwendet zu werden. Nimmt man das Nullelement      q
0 = g  sowie das Einselement     q−1
1= g  hinzu, so gilt für die Menge der Elemente            1  2 3     pn−3  pn−2
Fq = {0,1,g ,g ,g ,...,g    ,g   } .
  9. Aus Punkt 6 läßt sich (in Übereinstimmung mit Gleichung 3.6) schlußfolgern, daß für jedes Element        ∗
r(x)∈ Fq  das Modul m(x)  ein Teiler von     q−1
[r(x)]  − 1  ist, also die Zerlegung     q−1
[r(x)]  − 1 = h(x)m (x)  hat. Setzt man insbesondere r(x) = x als das kleinste Element (mit einem Grad größer als 0  ) aus F∗q  , so erhält man die Beziehungen:
    pict

    welche auch die Kongruenz h(x)m(x)≡ 0 (mod  xq−1 − 1)  rechtfertigen.

3.4.4 Zerfällungskörper

Nach dem Hauptsatz der Zahlentheorie kann man für jede natürliche Zahl eine eindeutigen Primfaktorzerlegung der Form

me11me22me33⋅⋅⋅

finden. Gleiches trifft auch für Polynome in Fp[x]  zu, nur daß es sich um irreduzible Polynome anstatt Primzahlen handelt.

f(x)= [m1(x)]e1 [m2 (x)]e2[m3 (x)]e3⋅⋅⋅

Jedes der irreduziblen Polynome32 mi(x)  hat eine vom jeweiligen Grad n abhängige Anzahl von Nullstellen α , die entweder im Grundkörper F
 p  oder (sämtlich) in einem zugehörigen Erweiterungskörper F n
 p  liegen. Nullstellen im Grundkörper, von denen f(x)  maximal p = |Fp | besitzen kann, lassen sich immer als einfache Faktoren der Art m (x)= x− α mit α ∈Fp  darstellen (vgl. Beispiel-Faktorisierung von x3− 1  in Abschnitt 3.4.5). Liegen dagegen alle n Wurzeln von m(x)  in einem Erweiterungskörper, dann muß es sich um ein irreduzibles Polynom (höheren Grades) handeln.33 Ein solcher Körper besteht aus   n
p  Elementen, welche die      n
q = p  Nullstellen der zugeordneten Funktion         q
ψ (x)= x − x darstellen (vgl. Abschnitt 2.1.5). Fpn  nennt man deshalb auch den kleinsten Körper über den ψ (x)∈ Fp[x]  vollständig in Linearfaktoren zerfällt [Bos96, 4.5] bzw. kürzer: Fpn  sei der Zerfällungskörper von xq− x .

ψ(x)= xq− x = ∏   (x − α ),   ψ(x)∈ Fp[x]
              α∈Fq

Ein weiteres Charakteristikum des Zerfällungskörpers Fpn  sind die konjugierten Nullstellen, d. h. bei Kenntnis einer Nullstelle α ⁄= 0  des irreduziblen Polynoms m(α )= 0  sind die restlichen n − 1  Nullstellen genau die Potenzen αp,αp2,...,αpn−2,αpn−1   . Das irreduzible Polynom m(x)  zerfällt also bei Kenntnis nur einer Nullstelle α vollständig in seine n Linearfaktoren. Der Beweis dieses Satzes geht vom sogenannten „Anfänger-Traum“ (Freshmans Dream) aus:

(b +c)p = bp+ cp,    b,c∈ Fpn
(3.13)

und berücksichtigt dann, daß im Grundkörper Fp  jedes Element a die Relation ap = a erfüllt (vgl. Abschnitt 3.3.2).

                                        (       )
         n         n         n (   )      n      p
m (αp)=  ∑ aiαip = ∑ api αip = ∑ aiαi p =   ∑ aiαi   = [m (α)]p = 0
         i=0       i=0       i=0          i=0

Aus diesem Grund läßt sich für jedes der irreduziblen Polynome m (x)  die folgende Linearfaktordarstellung angeben:34

       n−1(     i)
m (x) = ∏   x− αp  .
       i=0

Die Nullstellen    i
αp  kann man (wegen ihrer linearen Unabhängigkeit) verwenden, um statt einer Polynombasis eine so genannte Normalbasis des Vektorraumes (der Dimension n ) über Fp  zu definieren.

Ergänzungen zu Formel 3.13

  1. Sie kommt zustande wenn man bei der formalen Anwendung des Binomischen Satzes berücksichtigt, daß im Binomialkoeffizient ()
p  = --p!--
 k   k!(p−k)!  der Faktor p!  für k ⁄= 0  immer durch p teilbar ist und folglich (p)
  k mod p = 0  gilt.
              p (p )                 p−1(p )
(b+ c)p = ∑     bp−kck = bp+ cp+ ∑      bp−kck
         k=0  k                  k◟=1--k◝◜-----◞
                                      =0

  2. Wendet man sie mehrfach an, dann ergibt:

          i    i    i
(b+ c)p = bp + cp,    b,c ∈Fpn.
    (3.14)

3.4.5 Erweiterungskörper  n
ℤ2

Für eine Erweiterung des Primkörpers ℤ
 2  auf n Dimensionen ist ein irreduzibles Polynom m(x)  vom Grad n notwendig. Der dadurch entstehende Körper   n
ℤ 2  soll am Beispiel des Polynoms         2
m (x) = x + x+ 1  mit Koeffizienten aus ℤ2  (zu den Rechenoperationen vgl. Seite 58) jetzt kurz betrachtet werden. Nach Darstellung 3.10 gehören genau q = pn = 4  Polynome zum Erweiterungskörper (p = 2  , n= 2  ), nämlich:

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Wie sich leicht feststellen läßt, ist r3(x)  das erzeugende Element der multiplikativen Gruppe {r1(x),r2(x),r3(x)} , denn die anderen Elemente ergeben sich als Potenzen rν(x) mod m (x)
 3  .

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Außerdem sind alle Elemente (abgesehen von r0(x)  ) wirklich Nullstellen des Polynoms xq−1− 1 = x3− 1= (x− 1)m (x)  . Auch gut erkennen läßt sich, daß m (x)  für jedes Element r(x)  ein Teiler von [r(x)]q−1− 1  ist.

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Äquivalent dazu ist das Produkt aller Elemente (konform zu Formel 2.15) genau das neutrale Element e(⋅)  der multiplikativen Gruppe.35

                               2             2
r1(x)⋅r2(x)⋅r3(x)= 1 ⋅x ⋅(x +1 )= x + x≡ 1 (mod  x + x+ 1)