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3.3 Restklassenkörper

3.3.1 Existenz

Für den Übergang von einem Restklassenring (Rm,+, ⋅)  zu einem Restklassenkörper muß man zu jedem r ∈ Rm ∖{0} das Vorhandensein eines multiplikativ inversen Elements    −1
[r]m  , mit [r]m ⋅[r]m−1 = [1]m  , fordern. Wir nehmen die Antwort vorweg und proklamieren, daß es ein solches Element in (Rm,+,⋅)  nur dann gegeben kann, wenn m und r teilerfremd sind [PW72, Satz 6.4]. Bezieht man diese Aussage z. B. auf ℤ∗ = ℤm ∖{0} = {1,2,3,...,m − 1}
 m , dann müssen (wenn keine weiteren Forderungen an m gestellt werden) alle Elemente r , für die gcd(r,m) = 1  nicht erfüllt werden kann, ausgeschlossen werden. Sowohl im allgemeinen als auch speziellen Fall von   ∗
ℤ m  ist diese Einschränkung grundsätzlich hinfällig, wenn es sich bei m um ein Primelement handelt (ein vollständiges Restklassensystem) – in Bezug auf   ∗
ℤ m  also um eine Primzahl p ∈ℙ  , weshalb Fq := ℤp  (mit q= p ). Im Fall des Ausschlusses von Elementen (ein reduziertes Restklassensystem) ist die Anzahl der teilerfremden Zahlen durch EULER’s Totient-Funktion ϕ(m)  bestimmt und so die Ordnung der multiplikativen Gruppe |ℤ ∗m|= ϕ(m )  , d. h. Fq ⊆ ℤm  (mit q = ϕ(m) +1  ).

Beweis Ist m kein primes Element, dann läßt es sich mindestens in zwei Faktoren r,s ∈ Rm  zerlegen (die nicht Vielfache von m sind, also r,s mod m ⁄= 0  ). Da nun m  mod m = 0  ist, gilt für die Restklassenmultiplikation [r]m ⋅[s]m = [m ]m = 0  . Soll aber [r]m  eine inverse Restklasse [r]−m1  besitzen, dann kann man beide Seiten des Produktes mit [r]m−1  multiplizieren.

[r]m−1[r]m ⋅[s]m = [s]m = [r]m−1[m ]m = 0
◟--◝◜--◞
  e(⋅)=1

[s]m ist aber nach Voraussetzung nicht 0  , demzufolge kann ein Inverses zu [r]m  für den Fall dieser Zerlegung nicht existieren.

Im Gegenzug bleibt noch nachzuweisen, daß, wenn m ein Primelement ist, für jede Restklasse [r]
  m  aus Rm  ein inverses Element    −1
[r]m  auch wirklich existiert. Zu diesem Zweck betrachten wir alle [r]m ∈ Rm  , ausgenommen die Restklasse [1]m  , welche bei der Inversion auf sich selbst abgebildet wird. Da wegen der Modulo-Reduktion (wir verwenden jetzt wieder den Vertreter der Restklasse) immer m > r gilt, kann nur r ein Teiler von m sein und nicht umgekehrt. Aber auch dies ist nicht möglich, wenn nach Voraussetzung m relativ prim zu r ist. Deshalb kann der größte gemeinsame Teiler von r und m nur das Einselement sein. Berücksichtigt man jetzt noch die aus dem euklidischen Algorithmus stammende Erkenntnis (Satz von BéZOUT, vgl. Abschnitt 4.1), daß der größte gemeinsame Teiler d = gcd (r,s)  zweier Elemente r,s in der Form d = αr+ β s mit α,β ∈ ℤ  darstellbar ist, dann gilt:

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Das inverse Element von [r]
  m  ist demzufolge

[r] −1 = [α] ,
   m       m

wobei dessen Berechnung z. B. mit Hilfe des erweiterten euklidischen Algorithmus (siehe Abschnitt 4.1.4) möglich ist.19

3.3.2 Multiplikative Gruppe

Da es sich bei den Restklassenkörpern um spezifische GALOIS-Körper handelt, kann man einige Formeln von Abschnitt 2.2 konkretisieren. Im folgenden sollen deshalb die Körperelemente und deren Ordnung im Zusammenhang mit der multiplikativen Gruppe F∗
 q  betrachtet werden.

Ordnung von Elementen Abgesehen von den allgemein geltenden Ordnungsrelationen (siehe Abschnitt 2.1) gibt es speziell für den Restklassenkörper ℤp  noch eine erwähnenswerte Ausdrucksmöglichkeit für die von einem Körperelement generierte zyklische Untergruppe:

       n      k    |
〈r〉=  {r mod (r − 1)|n∈ ℕ, r ∈ ℤ}.
(3.4)

Einsichtig wird die Schreibweise sofort, wenn man sie für jeden Exponent n expandiert.20

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Kleiner Satz von Fermat Eine für die praktische Anwendung von Restklassenkörpern sehr wichtige Folgerung aus Gleichung 2.10 ist der (für den Restklassenkörper ℤp  geltende) kleine Satz von FERMAT [PD75, II]. Er resultiert sofort aus rq−1 ≡ 1 (mod m)  , wenn man berücksichtigt, daß die Ordnung der multiplikativen Gruppe ℤ ∗= ℤp ∖{0} = {1,2,3,...,p− 1}
  p genau q− 1= p − 1  ist.

rp−1 ≡ 1  (mod p)
(3.5)

Aus dieser Kongruenz kann man wegen 0≡ p  (mod  p)  außerdem ableiten, daß p stets ein Teiler von rp−1− 1  ist.21

rp−1− 1 = np ≡ 0  (mod p)
(3.6)

Obwohl der kleine Satz von FERMAT ursprünglich auf ℤp  bezogen war, wird sein Name oft auch in Verbindung mit Ausgangsformel 2.10 verwendet (siehe zum Beispiel [FHLM04]) — also ganz allgemein bezogen auf den endlichen Körper Fq  . Deshalb sollen an dieser Stelle noch weitere Berechnungsmöglichkeiten erwähnt sein, welche sich direkt aus  q−1
r   = 1  ergeben.

  1. Multiplikation mit  −1
r  führt z. B. zur Möglichkeit ein Element zu invertieren.
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  2. Multiplikation mit r2  gibt uns eine weitere Ausdrucksmöglichkeit für das Quadrat eines Elements.
    r2 = rq+1

  3. Für einige Spezialfälle ermöglicht der kleine Satz von FERMAT sogar das Ziehen der Quadratwurzel aus einem Element.

    1. Beispielsweise kann man im Erweiterungskörper F2n  (vgl. Abschnitt 3.4), in welchem q = 2n  ja immer gerade ist, direkt folgende Formel angeben:
      √-   √ --   q
 r =   rq = r2 = r2n−1

    2. Aber auch im Körper Fp  kann man, zumindest für den Fall p ≡ 3 mod 4  , eine einfache Lösung präsentieren:22
      √r = rp+14-(mod  p).

      Mit einer kurzen Probe läßt sie sich schnell verifizieren:

      ( p+1)2   p+1  √ -p+1   √-2-p−1  √ -2
 r 4   = r 2 =   r   =   r r   =   r = r (mod p).

Satz von Wilson Betrachtet man die multiplikative Gruppe eines Restklassenkörpers ℤ
 p>2  , so handelt es sich bei den Zahlen r = 1,2,...,p− 1  um die p− 1  Nullstellen α des Polynoms        p−1
φ(x)= x   − 1 (mod p )  . Anwendung von Gleichung 2.15 auf  ∗
ℤp  führt folgerichtig zum Satz von WILSON [Sho05, 2.8.1], [PD75, II], [Bun08, 2].23

(p − 1)!≡ − 1 ≡ p− 1  (mod  p)
(3.7)

Satz von EULER L. EULER hat für natürliche Zahlen eine sogenannte Totient-Funktion ϕ(m)  definiert, welche die Anzahl der positiven Zahlen (größer als 0  und kleiner als m ) teilerfremd zu m ausdrückt.24 Mit Hilfe dieser Funktion hat er FERMAT’s kleinen Satz folgendermaßen verallgemeinert [Sho05, 2.6], [Bun08, 2], [PD75, II]:

Sind zwei Zahlen r,m ∈ ℕ  relativ prim zueinander, d. h. sie haben keinen gemeinsamen Teiler (und so ist gcd(r,m)= 1  ), dann gilt:

rϕ(m) ≡ 1 (mod  m).
(3.8)

Der Beweis ist mit den Betrachtungen von Abschnitt 2.1 zur Ordnung der multiplikativen Gruppe in ℤm  zu erbringen. Danach entspricht die Gruppenordnung |ℤ ∗m| der Anzahl invertierbarer Elemente (solche mit gcd (r,m) = 1  ), d. h. mit EULER’s Totient-Funktion genau   ∗
|ℤm|=  ϕ(m)  .25 Berücksichtigt man jetzt noch die Gruppen nach Formel 2.10, dann bestätigt sich EULER’s Satz in Form von Gleichung 2.9.

  ∗
r|ℤm| ≡ 1 (mod m )

Speziell im Restklassenkörper ℤp  entspringt aus Kongruenz 3.8 mit          ∗
ϕ(p)=  |ℤ p|= p− 1  sofort der kleine Satz von FERMAT.

Für einen speziellen Fall, nämlich das Produkt zweier Primzahlen m = pq , ist es sehr wünschenswert die Totient-Funktion zu kennen.26 Sind p und q nach Voraussetzung Primzahlen, dann können nur die Zahlen (kleiner als m ) gemeinsame Teiler mit m haben, die Vielfache von p oder q sind. Vielfache von p die kleiner als m sind, gibt es aber genau q− 1  , was für q äquivalent gilt (nämlich p,2p,3p,...,(q− 1)p und q,2q,3q,...,(p− 1)q ). Somit muß man von den m − 1  Zahlen kleiner als m genau p − 1+ q− 1 = p+ q− 2  subtrahieren, was zu

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führt.27 In ähnlicher Art und Weise kann man auch die folgende Formel ableiten:

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3.3.3 Beispiele

Körper ℤ2  Der Körper F2 :=  ℤ2  ist von besonderer praktischer Bedeutung, denn er bildet häufig die Grundlage technischer Realisierungen. Die beiden Elemente von ℤ2  werden mit {[0]2,[1]2} oder kürzer mit 0,1  bezeichnet. Wegen ihrer einfachen Implementierung sind die Operationen in ℤ2  besonders effizient.

  1. Die Addition (modulo 2  ) ist mit
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    geradezu primitiv und entspricht dem logischen Exklusiv-Oder.28 Wie man sofort sieht, ist das neutrale Element die 0  und wegen Beziehung 3.9 das additiv Inverse die 1  . Addition und Subtraktion sind in diesem Sinne gleichwertig, denn es gilt − 1≡ 1 (mod 2)  .

  2. Ebenfalls eine einfache Operation ist die Multiplikation, denn sie entspricht dem logischen Und.
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  3. Die Division erklärt sich mit Hilfe des inversen Elements in  ∗
ℤ2 = ℤ2∖{0 }= {1} , welches ja die Bedingung 1 ⋅1− 1 = e(⋅) = 1  erfüllen muß. Einzig mögliche Schlußfolgerung ist die, daß es sich bei dem inversen Element 1 −1  um 1  selbst handelt.

Körper ℤ5  Für den Körper ℤ5  , also dem Fall einer multiplikativen Gruppe der   ∗
|ℤ5|= q − 1= 4  , gilt für die der Elemente:

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