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2.1 Multiplikative ABEL’sche Gruppen

Entsprechend Abschnitt 1.1.2 handelt es sich bei endlichen kommutativ-multiplikativen Gruppen um algebraische Strukturen  ∗
G := (G,⋅)  , welche bzgl. der Multiplikation

sind.10

2.1.1 Ordnung von Elementen

Endliche multiplikative Gruppen sind insbesondere wegen ihrer Eigenschaften beim Potenzieren von Gruppenelementen sehr interessant. Betrachten wir dazu die Folge der Potenzen 1  2 3  4
r,r ,r,r ,... irgendeines Elements r ∈ G∗ . Nach dem Prinzip der Abgeschlossenheit (Gruppenaxiom) wird auch jede Potenz von r wieder in G∗ liegen. Wegen der endlichen Zahl |G ∗| von Elementen, muß sich ab irgendeiner Potenz l ≤ |G ∗| die Folge wiederholen. Eine solche Wiederholung läßt den Ansatz ri = rl  zu. Multiplikation mit dem inversen Element von ri  ergibt 1= rl−i  , was wegen l > i wiederum bedeutet, das es immer ein Element mit

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gibt. Die Folge {r,r2,r3,...,rk−1,rk = 1= r0} nennt man die vom Element r erzeugte zyklische Untergruppe und kennzeichnet sie mit

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Unter Zuhilfenahme von  k   0
r =  r  läßt sich die Menge der Elemente auch so definieren:

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Abbildung 2.1 stellt die Periodizität der Folge am Beispiel k = 12  als Kreisteilung dar.


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Abbildung 2.1: Zyklische Untergruppe 〈r〉


Die Ordnung (Anzahl der Elemente) der Untergruppe 〈r〉 ist |〈r〉|= k . Sie ist gleichzeitig die kleinste Potenz k , die zu  k
r =  1  führt. Man nennt sie auch Ordnung des Elements r und schreibt statt ord(r)= #r = |〈r〉| einfach nur |r| . Die Ordnung des neutralen Elements e(⋅)  ist 1  , denn der kleinste Exponent k der zu ek(⋅) = e(⋅)  führt, ist 1  .11

Formel 2.1 gibt uns, wenn man sie mit  −1
r  multipliziert, eine Berechnungsvorschrift für das inverse Element an die Hand:

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2.1.2 Potenzen eines Elements

Betrachten wir jetzt die n -te Potenz irgendeines Elements r und stellen die Frage nach der Ordnung des so erzeugten Elements s= rn  .

Bezeichnet man dazu mit k= |r| und l = |s| die jeweilige Ordnung, so gilt nach Beziehung 2.1:

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und für weitere Potenzen von  k
r  :

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Unter diesen Voraussetzungen kann man

sl = (rn)l = rnl = 1 = rk = rki

formulieren und so nl = ki schlußfolgern (Exponentenvergleich). Da sich unser Interesse auf den kleinsten Exponenten l beschränkt, haben wir es hierbei mit der Frage nach dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen von n und k zu tun. Ein Beispiel für k= 6  und n = 4  , also lcm (k,n) = 12= 4 ⋅3 = 6⋅2  zeigt Abbildung 2.2.


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Abbildung 2.2: Potenzen eines Elements


Obwohl mit nk= lcm(n,k)gcd(n,k)  auch eine Berechnungsvorschrift zur Verfügung steht, wollen wir aus Verständnis-gründen den ausführlichen Weg beschreiten. Dazu wird unter Zuhilfenahme der Abkürzung d = gcd(k,n)  und mittels der Produktdarstellungen    -
k= kd und    --
n= nd zuerst der gemeinsame Teiler d eliminiert.

--  -
nl = ki
(2.6)

Wegen der Teilerfremdheit von --
n und -
k kann nur die Multiplikation mit der jeweils anderen Größe zum kleinsten gemeinsamen Vielfachen     ---   --   -
lcm(n,k)= nl = ki führen.

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Die Konsequenzen aus dem Ergebnis

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sind recht interessant:

  1. Die Ordnung eines durch Potenzieren erzeugten Elements s= rn  ist immer kleiner/gleich der Ordnung des Ausgangselements r . Für den Fall gcd(|r|,n) = 1  ist sie maximal (siehe auch Punkt 4).
  2. Als Bestätigung für den Satz von LAGRANGE (vgl. auch Abschnitt 1.1.1) ist festzustellen, daß die Ordnung von s= rn  genau die Ordnung von r teilt.12 Im Sinne der Definition des Index einer Gruppe über deren Untergruppe, hier von 〈r〉 über 〈s〉 , gilt deshalb:
                                n
|〈r〉:〈s〉|= gcd(|r|,n)    (s= r ).

    Die Ordnung |s| ist dabei (entsprechend der Bedeutung eines größten gemeinsamen Teilers) der bezüglich n teilerfremde Anteil in |r| .

  3. Bei Kenntnis der Ordnung k= |r| ist automatisch die Ordnung jedes Elements in der zyklischen Untergruppe 〈s〉 bekannt (vgl. Formel 2.8 mit Mengendefinition 2.2).
  4. Zwei Elemente r ⁄= s mit derselben Ordnung sind nach Formel 2.8 dadurch gekennzeichnet, daß gcd(k,n)= 1  gilt. Die Anzahl der zur Ordnung k teilerfremden Zahlen (die kleiner als k sind) entspricht damit der Anzahl von möglichen Potenzen n , für die k= |rn|= |s| wird. Aus diesem Grund wird in einer multiplikativen Gruppe die Anzahl der Elemente mit jeweils gleicher Ordnung k genau durch EULER’s Totient-Funktion13 ϕ(k)  bestimmt.
  5. Bei Kombination der Formeln 2.8 und 2.4 stellt man fest, daß sich die Ordnung eines Elements r beim Übergang zu dessen Inversen r−1  nicht ändert: |r−1|= |rk−1|= k∕ gcd(k,k− 1) = k .
2.1.3 Beziehung zur Gruppenordnung

Variante 1 Die Ordnung der von r erzeugten zyklischen Untergruppe 〈r〉 ist nach dem Satz von LAGRANGE (siehe Abschnitt 1.1.1) ein Teiler der Gruppenordnung |G ∗| . Man kann die Ordnung der multiplikativen Gruppe deshalb auch folgendermaßen ausdrücken [Bos96, 1.2, Satz 3]:

|G ∗|=  ik.
(2.9)

Daß die Ordnung von 〈r〉 ein Teiler von   ∗
|G | ist, führt in Verbindung mit Gleichung 2.1 zu:

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Anschaulich (siehe auch Abbildung 2.2) bedeutet dies, daß sich die Potenzen rn  nach k Elementen periodisch wiederholen .

 1  2 3     k  1 2  3    k     1  2 3     k
r◟-,r-,r◝,◜...,r◞,r◟,r-,r◝◜,...,r◞,...,r◟-,r-,r◝,◜...,r◞
◟--kElemente-------kEleme◝nt◜e---------kElemente--◞
             |G∗|Elemente(iPerioden)

Variante 2 Möchte man einen Rückgriff auf den Satz von LAGRANGE vermeiden, so kann für Beziehung 2.9 auch der folgende Beweis angeführt werden. Multipliziere jedes der   ∗
|G  | Elemente aus   ∗
G  = {r1,r2,r3,...,r|G∗|} mit dem Element r , welches ebenfalls  ∗
G entstammt (r ist eines der rn  , mit n= 1,2,...,|G∗| ). Nach dem Prinzip der Abgeschlossenheit muß auch jedes Produkt rrn  wieder in G ∗ liegen. Außerdem müssen die Produkte paarweise verschieden sein, sonst würde die Multiplikation mit dem inversen Element r−1  zu zwei gleichen Elementen führen (Bed. rrν ⁄= rrμ  ). Abgesehen von der Reihenfolge kann deshalb folgende eindeutige Mengenabbildung (Bijektion) angegeben werden: {rr,rr ,rr ,...,rr ∗ }↦→  {r,r ,r,...,r  ∗}
   1  2  3      |G |     1  2 3     |G| . Bildet man jetzt das Produkt aller so erzeugten Elemente

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und multipliziert noch mit den Inversen  −1
rn  , dann bestätigt sich  |G∗|
r   = 1  . Einzig mögliche Schlußfolgerung aus  |G∗|
r   = 1  und  k
r = 1  kann aber (konform zu Beziehung 2.9) nur die sein, daß die Elementeordnung k genau die Gruppenordnung |G ∗| teilt.

2.1.4 Generatorelemente

Allgemein nennt man jede, von mindestens einem Element g durch Potenzierung erzeugte multiplikative Gruppe, eine zyklische Gruppe (siehe Abschnitt 2.1.1). Umfaßt die von g erzeugte Untergruppe 〈g〉 alle Elemente der multiplikativen Gruppe G∗ (in irgendeiner Abfolge), dann bezeichnet man g als Generatorelement oder primitives Element.

      {              ∗      ∗        }
〈g〉:=  g1,g2,g3,...,g|G |−1,g|G| = g0 = 1 = G∗
(2.11)

Die Ordnung eines solchen Elements muß in diesem Sinne der Gruppenordnung entsprechen.14

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Wie alle anderen Elemente muß auch ein Generatorelement Gleichung 2.1 erfüllen - aber eben nur für Generatorelemente ist |G∗| der kleinste Exponent, welcher zu    ∗
g|G | = 1  führt. Bei Kenntnis eines Generatorelements aus G∗ sind so nicht nur alle Elemente der multiplikativen Gruppe bekannt, sondern nach Formel 2.8 auch deren Ordnung.

Um die Frage zu beantworten, ob es immer mindestens ein Generatorelement gibt, rekapitulieren wir folgende Fakten:

  1. Die Ordnung k= |r| eines jeden Elements teilt die Gruppenordnung (Formel 2.9): |G ∗|=  ik .
  2. Jedes Element r kann durch Potenzieren aus g erzeugt werden:      n
r = g  .
  3. Die Ordnung |g | eines Generatorelements erfüllt (wie die eines jeden anderen Elements) Formel 2.8:        n
|g|= |g|gcd(|g|,n)  .
  4. Die Ordnung eines Generatorelements muß der Gruppenordnung entsprechen:        ∗
|g|= |G | .

Kombination der formelmäßigen Voraussetzungen ergibt:

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und diese Bedingung muß für irgendeine Potenz n=  1,2,...,|G ∗| zu gewährleisten sein (und zwar eindeutig für jedes Element r ). Äquivalenz 2.12 kann aber nur erfüllt werden, wenn man n = in- , mit gcd(k,n)= 1  annimmt. Die Anzahl der teilerfremden Zahlen n- kleiner als k liefert mit ϕ(k)  EULER’s Totient-Funktion (vgl. Abschnitt 3.3.2). Sie ist immer größer als 0  , weshalb stets ein primitives Element existiert. Aus diesem Grund ist jede multiplikative ABEL’sche Gruppe zyklisch, mit ϕ (|G∗|)  Generatorelementen.15

2.1.5 Elemente als Nullstellen

Wenden wir uns jetzt einer etwas anderen Sichtweise auf die Elemente der multiplikativen Gruppe   ∗
G zu, nämlich der Betrachtung über Nullstellen. Dazu gehen wir von dem Polynom         |G∗|
φ (x) = x   − 1  mit          ∗
x,φ (x) ∈ G aus, welches die Nullstellen bzw. Einheitswurzeln α haben soll.

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Wir stellen nun fest, daß entsprechend des Fundamentalsatzes der Algebra φ(x)  genau   ∗
|G | Nullstellen haben muß. Nach Formel 2.9 wird diese Bedingung aber auch durch jedes Element aus   ∗
G erfüllt. Da deren Anzahl genau mit der Anzahl der Nullstellen übereinstimmt, kann es sich bei den Elementen r ∈ G∗ nur um die |G ∗| Nullstellen von φ(x)  handeln [PW72, Satz 6.18]. Das mehrfache Nullstellen nicht vorhanden sind, kann man (in Verbindung mit Gleichung 2.13) durch Ableitung von φ(x)  an den Stellen α nachprüfen.

     |               |
dφ-(x)||        ∗ |G∗|−1|       ∗  −1  |G∗|    ∗  −1
  dx |x=α = |G  |x     |x=α = |G |α  α    = |G |α   ⁄= 0

Mit diesen Erkenntnissen läßt sich für φ (x)  eine Linearfaktordarstellung auf Basis der Elemente r angeben.

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Ausmultiplizieren der rechten Seite führt mit φ (0 )= − 1  noch zu der interessanten Äquivalenz:

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Da alle Elemente r der multiplikativen Gruppe G∗ als Potenzen eines Generatorelements g darstellbar sind, kann man die Linearfaktordarstellung 2.14 auch folgendermaßen schreiben:

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