Für Systeme der realen Welt kann man grundsätzlich davon ausgehen, daß es eine Wirkung vor der
Ursache ausgeschlossen ist. Man fordert deshalb von einem so charakterisierten LTI-System, daß für
das Ausgangssignal
verschwindet. Aus systemtheoretischer Sicht kann eine derartige
Einschränkung an die Zeitfunktion nicht ohne Einfluß auf die Bildfunktion der FOURIER-
bzw. LAPLACE-Transformation bleiben. Welche Forderungen an die Transformierte eines
kausalen Signals
unter dieser Bedingung zu stellen sind, soll im Folgenden ermittelt
werden.
Der geradlinigste Ansatz formuliert das Verschwinden des Signals für
durch die
Äquivalenz
FOURIER-Transformation dieser (notwendigen, für realisierbare Systeme nicht
hinreichenden) Bedingung in den Bildbereich führt mit Hilfe des Faltungssatzes
sowie der Korrespondenz
zu:6
Separiert man Real- und Imaginärteil, dann muß für ein kausales Signal
gelten. Umstellen nach und
ergibt folgende Zusammenhänge:
Ein anderer, aber sehr einfacher Ansatz geht davon aus, daß grundsätzlich jede Zeitfunktion in eine
gerade und eine ungerade Teilfunktion zerlegt werden kann [Pap62, 10-2],
[Fri85, 4.1]. Dann gilt wegen
bei Addition und Subtraktion beider
Formeln:
d. h. beide Teilfunktionen sind von und deshalb auch wechselseitig
abhängig.8
Im speziellen Fall eines kausalen Signals, d. h.
für
bzw.
für
kann
folgendermaßen vereinfacht werden:
Hieraus läßt sich die Abhängigkeit zwischen geradem und ungeradem Anteil von direkt
ablesen.
Berücksichtigt man jetzt noch die Eigenschaft der FOURIER-Transformation reeller Zeitfunktion,
nämlich daß der gerade Anteil von mit dem Realteil der Bildfunktion
, der ungerade Teil
hingegen mit dem Imaginärteil korrespondiert (vgl. ??), so führt Anwendung des Faltungssatzes
sowie der Korrespondenz
zum bekannten
Ergebnis:
Nehmen wir als Ausgangssituation der Betrachtungen in der LAPLACE-Ebene an, daß
die Transformierte des reellen Signals
in der rechten
Halbebene vollständig analytisch sei, d. h. dort weder Singularitäten (also auch keine Pole)
noch Sprünge hat. Aus der Funktionentheorie ist bekannt, daß sich eine solche Funktion
(unter der Bedingung
, vgl. Abschnitt ?? oder [Pap62, 10-5]) für
vollständig durch ihre Randwerte auf der imaginären Achse definiert [BC03,
119].9
![]() | (1.12) |
Aus demselben mathematischen Gebiet entstammen auch die folgenden Ausdrucksmöglichkeiten,
welche für die Rückgewinnung der Funktion nur aus dem Real- oder Imaginärteil
ermöglichen.
![]() | (1.14) |
Diese Beziehung enthält das wesentliche Resultat: wegen der Multiplikation mit dem Einheitssprung
verschwindet das Signal
für
(Kausalität), wenn
in der gesamten rechten Halbebene analytisch
ist.10
Die Aussage führt zu einer wesentlichen Forderung an die Übertragungsfunktion eines LTI-Systems
(wenn und demzufolge
gesetzt wird), nämlich daß eine rationale
-Übertragungsfunktion
keine Pole in der rechten Halbebene besitzen darf.
Anhand der vorangegangenen Ausführungen wurde deutlich, daß ein kausales Signal (bzw. die
Impulsantwort eines LTI-Systems) unbedingt mit einer Abhängigkeit zwischen Real- und Imaginärteil
der Bildfunktion (über die HILBERT-Transformation) verbunden ist. Aus der Funktionentheorie
entstammte die weiterreichende Erkenntnis, daß ein solcher Zusammenhang immer dann gegeben ist,
wenn sich das Signal in der rechten -Halbebene als frei von Singularitäten darstellt. Für die
Übertragungsfunktion eines LTI-Systems hat deshalb die Lage der Pole entscheidende Bedeutung nicht
nur in Bezug auf die Stabilität sondern auch auf die Kausalität der Impulsantwort und damit die
Realisierbarkeit.
Was die kausalen Signale angeht, so kann man aufgrund der Abhängigkeit zwischen Real- und Imaginärteil noch redundanzfreie Darstellungen ableiten [Bra03, 13]:
Durch Anwendung des Faltungssatzes und (wieder) der Transformation für den Einheitssprung sowie
auf
erhält man für die Zeitfunktion
Sollte für
verschwinden, dann ist es also ausreichend nur eine
Komponente, entweder Real- oder Imaginärteil, zur Beschreibung des Signals
heranzuziehen.11
![]() | (1.15) |
Die jeweils andere Komponente ist faktisch redundant, was solche Transformationen wie die Cosinus- oder Sinus-Transformation rechtfertigt [Wun62, 3.2], [Sto92, 5.1.2]. Diese ergeben sich (bis auf einen konstanten Faktor) sofort aus Formel 1.15, wenn man die Symmetrieeigenschaften der trigonometrischen Funktionen berücksichtigt.
In gleicher Art und Weise können auch die Ausführungen für die LAPLACE-Transformierte von
Seite 23 fortgesetzt werden. Denn gehorcht
der Bedingung nach Gleichung 1.14 “von
Hause aus”, d. h. verschwindet für
, so wird wegen des Wegfalls des jetzt unnötigen
Faktors
das kausale Signal
vollständig durch den Real- oder Imaginärteil seiner
LAPLACE-Transformierten beschrieben.
![]() | (1.16) |
Berücksichtigt man die Eigenschaften der FOURIER- bzw. LAPLACE-Transformierten reeller Zeitfunktionen, so lassen sich für die Übertragungsfunktion von kausalen LTI-Systemen zahlreiche Darstellungsformen angeben, die oftmals als Integralsätze von BODE bezeichnet werden [Bod45], [Mar95, 5.1], [Pap62, 10.], [SBG97, 2.3.2].
Eine erste Betrachtung dazu (die etwas ausführlicher erfolgt), geht von Formel 1.12 aus und erweitert
zunächst den Integranden mit .
Bedenkt man nun, daß:
so ergibt sich im -Bildbereich:
und nimmt die für geltende Beziehung
zu Hilfe.
Bringt man noch auf die linke Seite, so kann direkt eine neue Variante
der Abhängigkeitsdarstellung zwischen Real- und Imaginärteil gewonnen
werden.12
Auf der imaginären Achse gilt (für Systeme mit , vgl. Abschnitt ??) die aus der
Funktionentheorie bekannte Beziehung:
![]() | (1.17) |
Mit dem Ziel den Nenner des Integranden zu einer geraden (oder ungeraden) Funktion zu machen, soll
uns als Erweiterung dienen.
Dabei verschwinden die Integrale über und
, da es sich bezüglich
um
ungerade Funktionen handelt.
Oftmals sind in der Literatur Darstellungen zu finden, in denen auch auf der rechten Seite im
Integranden auftaucht und die letztlich auf [Bod45] zurückgehen [Pap62, 10-2], [Wun62, 3.14], [Spǎ73,
6.4].14
Beide Beziehungen entsprechen folglich den Formeln 1.19 und 1.20, nutzen also nur die Äquivalenz:
Für LTI-Systeme mit der Eigenschaft
aber mit beschränkter -Übertragungsfunktion
, wie für rationale
Übertragungsfunktionen in Abschnitt 1.3 betrachtet, kann man nicht auf JORDAN’s Lemma
zurückgreifen. Aus diesem Grund sind alle vorangegangenen Aussagen derart anzupassen, daß der im
Unendlichen verlaufende Integrationsweg (nach Abbildung ??) bei der Anwendung von CAUCHY’s
Integralformel berücksichtigt wird [Wun62, 3.12], [Pap62, 10-2]. Den allgemeinen Fall
einer, in der rechten Halbebene analytischen Funktion, muß man deshalb folgendermaßen
korrigieren:
![]() | (1.23) |
Betrachten wir zuerst den Integrationsweg und bringen die Substitution
mit
zur Anwendung.
Unter der Maßgabe kann man sicherlich
annehmen, d. h.
setzen.
Außerdem ist wegen der (für reelle Zeitfunktionen immer geltenden) Relation
eine Beschränkung des Integrationsweges auf einen positiven Viertelkreis möglich.
Letzter Ausdruck weist nun eindeutig darauf hin, daß es sich bei dem Integral entlang
um eine rein imaginäre Konstante handelt, welche für
sowohl allgemein als auch
speziell auf der reellen Achse (
,
) nicht notwendigerweise verschwinden
muß.
Zurück zur Ausgangsbeziehung 1.23 erhalten wir durch Einsetzen
und stellen fest, daß sich der Realteil17
von um den konstanten Betrag
erhöht.18 Aus diesem Grund ändert sich z. B. Formel 1.12 wiefolgt: