Der BESSEL- bzw. THOMSON-Tiefpaß ist vom Syntheseansatz her kein System mit dem Ziel der Selektion von Frequenzanteilen (wie die vorangegangen Filter), sondern eher als verzerrungsarmes Übertragungssystem zu verstehen. Approximiert wird dabei die Übertragungsfunktion eines idealen LTI-Systems bzw. dessen linearen Phasengang [Tho49, Sto51].
Die Verzögerungszeit ignorierend konzentrieren wir uns zuerst auf die Darstellungsmöglichkeiten der Exponentialfunktion durch Hyperbelfunktionen
und deren Reihenentwicklungen.
Bricht man die Reihen für und nun einfach nach einer beschränkten Anzahl von Gliedern ab, dann
Besser ist an dieser Stelle eine Kettenbruchentwicklung – mit den vorteilhaften Eigenschaften:
Durch eigene Rechnung oder Verwendung eines geeigneten Nachschlagewerks erhält man aus der Reihenentwicklung den folgenden Kettenbruch des hyperbolischen Cotangens:
| (2.30) |
Bricht man diese Entwicklung nach Schritten ab, so kann man daraus eine rationalen Bruch bestimmen. Durch vollständige Induktion kann verifiziert werden, daß Zähler und Nenner den Rekursionsformeln
gehorchen.25 Berücksichtigt man die Anfangswerte , , und , dann lassen die Formeln sofort erkennen, daß das Zählerpolynom nur gerade Potenzen von enthält, das Nennerpolynom dagegen alle Ungeraden.
Kommen wir nun zurück zur Approximation von und interpretieren und als Näherung für Zähler und Nenner in
und in Konsequenz als Summenterme in der Exponentialfunktion
Die Summe (und gleichzeitig Berechnungsvorschrift auf der rechten Seite) nennt man BESSEL-Polynom vom Grad .
Die ersten BESSEL-Polynome sind demzufolgeMit der so gewonnen Näherung für kann man als Übertragungsfunktion des verzerrungsarmen Systems
angeben, wobei nur zum Zwecke der Normierung auf hinzugefügt wurde. Da in der Kettenbruchentwicklung des Quotienten nach Formel 2.30 alle linksseitigen Summanden positive Koeffizienten () haben, handelt es sich bei wirklich um ein HURWITZ-Polynom [Cau54, VIII-15b], [Fri79b, 3.1.3], [Che95, 44.5].26Einen typischen Frequenzgang nach Gleichung 2.32 zeigt Abbildung 2.8. Recht gut zu erkennen ist dabei der relativ lineare Phasengang, welcher sich im Nullpunkt als maximal flache Gruppen- bzw. Signallaufzeit präsentiert.