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2.1 Satz von CAUCHY

2.1.1 Stammfunktion

Für eine analytische Funktion f(z)= u(x,y)+ jv(x,y)  ist die Existenz einer Stammfunktion F (z) = U(x,y)+ jV (x,y)  mit  ′
F (z) = f(z)  dann gegeben, wenn die Integrabilitätsbedingung nach Gleichung 3 erfüllt und außerdem die partiellen Ableitungen stetig sind. Der erste Teil der Behauptung ist zu verifizieren, indem man mit dz= dx +jdy eine formale Zerlegung von F (z)  in Real- und Imaginärteil vornimmt [WW27, § 4⋅6  ].

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Erinnern wir uns nun an die Aussage von Abschnitt 1.2, daß die Ableitung einer analytischen Funktion auch wieder analytisch ist, so gilt Gleichung 4 in der Form

                       ′     ∂U-(x,y)   ∂V(x,y)-  ∂V(x,y)-  ∂U-(x,y)-
f(z)= u(x,y)+ jv(x,y)= F (z)=    ∂x   + j  ∂x   =    ∂y   − j  ∂ y

und äquivalent dazu:

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Mit diesen einfachen Resultaten kann man die Integranden in Formel 6 als Differentialformen10 in   2
ℝ  ausdrücken.

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Aus der Differential- und Integralrechnung mehrerer Veränderlicher (sowie Verallgemeinerungen wie der Vektoranalysis oder Differentialgeometrie) ist nun bekannt, daß für die totalen Differentiale dU und dV genau dann Stammfunktionen existieren, wenn Uxy = Uyx  bzw. Vxy = Vyx  gilt. Diese Bedingung ist für stetige Funktionen aber grundsätzlich (Satz von SCHWARZ) und für harmonische Funktionen erst recht erfüllt.

2.1.2 Bestimmtes Integral

Nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung existiert eine Verbindung zwischen der Stammfunktion und dem bestimmten Integral, welche unter bestimmten Bedingungen auch im komplexen Fall Gültigkeit hat [BC03, 42].

d ∫ z
--     f(ξ)dξ = f(z)
dz a+jb

Anders als im eindimensionalen Fall muß man berücksichtigen, daß bei der Integration zwischen zwei Punkten (z1,z2 ∈ ℂ  ) der Integrationsweg eine Rolle spielen kann. Ist er in Parameterform als z = x+ jy = φ(t)  darstellbar, so gilt mit dz= φ ′(t)dt für das Kurvenintegral (zweiter Art) allgemein:

      ∫          ∫
                           ′
F(z)=   Cf(z)dz=  Cf [φ (t)]φ (t)dt .

Sollte f(z)  aber analytisch auf der Kurve C sein,11 dann ist das Integral wegunabhängig und man kann in gewohnter Art und Weise

∫         ∫ z2
  f(z)dz=     f(z) dz= F(z2)− F(z1)
 C         z1
(9)

rechnen [BC03, 42]. Eine anschauliche Begründung steckt in den Beziehungen Uxy = Uyx  bzw. Vxy = Vyx  , denn sie weisen auf infinitesimaler Ebene (im Sinne des RIEMANN’schen Differentialbegriffs) daraufhin, daß die “Fortschrittsrichtung” oder -Reihenfolge vollkommen unerheblich ist. Exakt kann die Wegunabhängigkeit z. B. mit Hilfe der Kettenregel für Funktionen mehrerer Veränderlicher bewiesen werden.12 Dazu gehen wir von der Parameterdarstellung z= ψ (t)+ jϕ(t)  für den Integrationsweg C aus, bilden in einem zweiten Schritt die Ableitungen von U bzw. V nach t und ersetzen anschließend die (entstehenden) partiellen Ableitungen durch u(x,y)  und v(x,y)  unter Zuhilfenahme von Beziehung 7.

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Die letzten Ausdrücke stellen genau die Differentialformen in Formel 6 dar, was uns zum Ende des Beweises bringt.

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Ist die Kurve C sogar geschlossen, d. h. z2  nähert sich wieder z1  , dann kommt man zum Hauptsatz der Funktionentheorie bzw. Satz von CAUCHY [WW27, § 5⋅2  ], [Hur00, I-5, § 6], [BC03, 44-46]:

Ist f eine Funktion von z , analytisch an allen Punkten auf und innerhalb der geschlossenen Kurve C , dann gilt:13

∮
   f(z)dz = 0.
 C
(10)

Sollte f(z)  im Inneren von C nicht überall analytisch sein, dann kann das geschlossene Kurvenintegral einen Wert ungleich Null besitzen (siehe dazu Abschnitt 3).

Damit sind uns nunmehr drei gleichwertige Kriterien für den Nachweis, daß es sich bei f(z)  um eine analytische Funktion handelt, bekannt:

  1. die CAUCHY-RIEMANN’schen Differentialgleichungen,
  2. die LAPLACE-Gleichung für den Real- und Imaginärteil und
  3. der Satz von CAUCHY (Wegunabhängigkeit des Kurvenintegrales).14