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6 Lemma von Jordan

Der Hilfssatz von C. JORDAN hat besondere Bedeutung bei komplexen Integralen, die teilweise im Unendlichen verlaufen. Er lautet:

Ist die Funktion f(z)  analytisch auf dem Integrationsweg C ∞ nach Abbildung 3 (obere Halbebene) mit r → ∞ und hat für α > 0  die Eigenschaft limr→ ∞f(z)= 0  oder für α = 0  gleichwertig limr→ ∞zf(z)= 0  , dann gilt:

    ∫   jαz
rli→m∞  C∞e  f(z)dz=  0,    α ∈ℝ .
(33)

Für den Beweis gehen wir wie in [WW27, § 6⋅222  ] von

   |∫            |
lim ||    ejαzf(z)dz||
r→ ∞| C∞          |
(34)

aus und bestimmen eine obere Schranke für den Grenzwert. Wie im ersten Punkt der Herleitung von LIOUVILLE’s Theorem gilt auch hier, daß der Betrag des Integrals kleiner als das Integral über den Betrag (des Integranden) ist.

|∫            |  ∫
||   ejαzf(z)dz||≤    ||ejαz||⋅||f (z)||⋅||dz||
| C∞          |   C∞

Mit der Parameterdarstellung       jθ
z = re  = rcosθ + jrsin θ des Integrationsweges C∞ , dem zugehörigen Differential dz = jrejθ dθ sowie der Beziehung ejαz = ejαrcosθ e− αrsinθ  ergibt sich schließlich

| ∫           |   ∫                                  ∫
||     jαz      ||     π −αrsinθ || (  jθ) ||                 π −αrsinθ
|  C∞e  f(z)dz|≤ r 0 e       |f  re   |dθ ≤ r sz∈uCp∞ |f(z)| 0 e     dθ .
(35)

Der Integrand des rechtsseitigen Integrals ist bezüglich des Ordinatenwertes θ = π∕2  symmetrisch und kann deshalb zu 2 ∫ π2e−αrsinθ dθ
  0 vereinfacht werden. Weiter kann man für das Intervall 0 ≤ θ ≤ π∕2  die Ungleichung sinθ ≥ 2θ∕ π heranziehen29 und die Relation

∫ π            ∫ π
  2 −αrsinθ        2 − 2παrθ
 0 e      dθ ≤  0  e     dθ
(36)

ableiten, welche nun bei der Berechnung des (vereinfachten) Integrals verwendet wird.

 ∫ π2 − 2αrθ       π   − 2αrθ||π2    π (    − αr)
2 0  e π   dθ = − αr-e π   |θ=0 = αr 1 − e
(37)

Einsetzen in Ungleichung 35 ergibt die Grenzwerte

pict

was mehrere Fallunterscheidungen notwendig macht. Gemeinsam ist allen, daß es um Forderungen an die Funktion f (z)  mit z∈ C∞ geht (d. h. z= rejθ  ), welche ein Verschwinden des letzten Ausdrucks bewirken und dadurch JORDAN’s Lemma bestätigen.

  1. Im einfachsten Fall, d. h. für α >  0  ist sofort ersichtlich, daß limr→∞ f(z)= 0  gelten muß. Außerdem ist erwähnenswert, daß Ungleichung 39 die bekannte Abschätzung        ∫   jz
limr→ ∞| C∞e dz| ≤ π beinhaltet, welche sich für α = 1  und f(z)= 1  ergibt.
  2. Werte α < 0  führen zu folgenden Veränderungen an den bisherigen Formeln:

    1. In Ungleichung 36 dreht sich das Relationszeichen.
    2. Bildet man den Grenzwert limr→ ∞ für Beziehung 37, dann ist das Ergebnis − ∞ .
    3. Wegen der beiden vorangegangenen Punkte haben die Ungleichungen 38 und 39 keinen Bestand.

    Aus diesem Dilemma kann man sich jedoch durch Drehung des Integrationsweges in die negativ-imaginäre Halbebene (angedeutet in Abbildung 3) befreien. Mit den Grenzen [π,2π ]  und der Substitution θ = ϕ + π ist man in der Lage, den Ausgangspunkt nach Ungleichung 35 wiederherzustellen und die Beweisschritte vom Fall α > 0  zu übernehmen.30

    ∫               ∫               ∫
  2π  −αrsinθ       2π |α|rsinθ       π −|α|rsinϕ
 π  e      dθ =  π  e      dθ =  0 e        dϕ

  3. Sollte der Exponentialfaktor α jedoch Null sein, dann verschwindet der Nenner auf der rechten Seite von Ungleichung 39 und man muß (schärfer noch) limr→∞ zf(z)= 0  fordern. JORDAN’s Lemma 33 nimmt unter genannten Voraussetzungen die spezielle Form
       ∫
lim    f (z)dz = 0
r→ ∞ C∞
    (40)

    an.

  4. Läßt man (abweichend von der Voraussetzung) ein negativ-imaginäres α zu, dann geht mit α =  − jβ der Betrag des Integrals nach Formel 34 in
    | ∫          |    ∫ π      | (    )|               ∫ π
||    eβzf(z)dz||≤  r   eβrcosθ||f r ejθ ||dθ ≤ r sup |f(z)|   eβrcosθ dθ
|  C∞         |     0                      z∈C∞      0

    über. Wegen des Cosinus-Terms im Exponenten wird JORDAN’s Lemma hier nicht zutreffen, was aber (wieder) durch Veränderung des Integrationsweges behoben werden kann. Dazu wählt man als Integrationsgrenzen [π∕2,3π ∕2]  und substituiert φ = θ − π∕2  bzw. cosθ = − sinφ . Durch den neuen Integrationsweg  ′
C∞ im Unendlichen (vgl. auch Abbildung 5) wird die ursprüngliche Form von Ungleichung 35 wieder hergestellt, womit der Beweis auf dem gewohnten Weg fortgesetzt werden kann.31

              ∫ π                         ∫ 3π2
r sup |f(z)|   eβrcosθ dθ  ⇒   r sup |f(z)|    eβrcosθ dθ
 z∈C∞      0                 z∈C′∞      π2
                                      ∫ π −βrsinφ
                        =   rzsu∈pC′|f(z)| 0 e       dφ
                                ∞